Canis lupus – Willkommen zurück in der Heimat

Wolf (Canis lupus), Foto: Bernard Landgraf, Lizenz: GFDL/CC BY-SA 3.0
Wolf (Canis lupus), Foto: Bernard Landgraf, Lizenz: GFDL/CC BY-SA 3.0

Canis lupus – der heimische Wolf – konnte in Österreich über hundert Jahre lang keine Familie mehr gründen.

 

Im Frühjahr 2016 war es dann endlich wieder soweit: Jungwölfe erblickten im Waldviertel (Niederösterreich) das Licht der Welt – ein entscheidender Schritt für die Vernetzung der Populationen in Europa und ein Gewinn für Österreich.

Bereits Jahre zuvor waren reproduzierende Wölfe – mit Ausnahme von Liechtenstein – in allen Nachbarländern Österreichs bekannt (LINNELL et al. 2008 [1]). Zwischen 2009 und 2014 gab es auch in Österreich jährlich zwischen drei und sieben genetische Nachweise zugewanderter Wölfe (WWF Österreich 2014 [2]). Dennoch dauerte es bis ins Jahr 2016, bis auch in Österreich eine erfolgreiche Wolfsreproduktion nachgewiesen werden konnte.

 

Dabei nimmt Österreich bei der Wiederbesiedelung und der Vernetzung der Populationen eine geografische Schlüsselposition ein. Nach Österreich kommen Wölfe aus den Westalpen, dem Balkan, den Karpaten und aus Nordosteuropa. Entscheidend für eine gesunde Wolfspopulation in Europa ist der genetische Austausch. Aufgrund der geografischen Lage Österreichs zwischen den derzeit noch isolierten und zumeist gefährdeten Wolfspopulationen, ist eine natürliche Canis lupus-Besiedelung Österreichs von höchster Bedeutung.

 

Darüber hinaus weiß jeder Förster, dass dort, wo Luchs und Wolf zurückkehren, gesunde Wälder entstehen. Die beiden Beutegreifer bringen den Reh- und Hirschbestand auf eine natürliche Dichte und reduzieren dadurch den Verbissdruck auf Jungbäume.

Märchen und Tatsachen über Wölfe

Um Wölfe ranken sich die wildesten Geschichten, die mit der Realität rein gar nichts zu tun haben, die aber bis heute bestimmend für das Verhältnis Mensch und Wolf sind: man könnte sagen, dass das Märchen „Rotkäppchen“ ganze Arbeit geleistet hat. Mit dieser und ähnlichen Geschichten wurden und werden Wölfe bei Generationen von Menschen bereits von Kindesbeinen an mit einem Negativ­image belegt.

 

Dieses vom Menschen kreierte Bild des Wolfes begründet illegale Tötungen oder gewünschte Gesetzesänderungen. Die Fakten zeigen jedoch ein ganz anderes Bild vom Wolf.

Wolf (Canis lupus), Foto: Hans-Petter Fjeld, Lizenz: CC BY-SA 2.5/3.0
Wolf (Canis lupus), Foto: Hans-Petter Fjeld, Lizenz: CC BY-SA 2.5/3.0

Übergriffe auf Schafe, Ziegen etc.

Unbestritten ist, dass Wölfe sich gelegentlich bei Schaf- und Ziegenherden oder in Wildgattern bedienen. Wenn der Magen knurrt, sucht auch der Wolf nach leicht erreichbarer Nahrung. Die Untersuchungen von 1.984 Proben aus dem Wolfswiederbesiedelungsgebiet in den deutschen Bundesländern Sachsen und Brandenburg aus den Jahren 2002 bis 2009 zeigen allerdings, dass der Anteil von Haustieren (Schafe, Ziegen, Kaninchen etc.) an der Gesamtnahrung der untersuchten wildlebenden Wölfe mit 0,81 % verschwindend gering ist (HOLZAPFEL et al. 2011) [3].

 

Wo Herdenschutzhunde bei der Weidehaltung zum Einsatz kommen oder eine Behirtung auf Almen erfolgt, ist die Zahl erbeuteter Schafe und Ziegen noch bei weitem geringer und geht gegen Null. Wichtig ist es, frühzeitig mit dem Herdenschutz zu beginnen, damit es erst gar nicht zu Rissen bei der landwirtschaftlichen Tierhaltung kommt.

Wolfsrudel

Auch die Darstellung riesiger Wolfsrudel, die unsere Wälder bevölkern und Menschen hetzen, entstammt der Welt der Märchen. Bei einem Wolfsrudel handelt es sich lediglich um eine Familie, bestehend aus den beiden Eltern, den diesjährigen Kindern und zeitweise den Kindern des Vorjahres, die oftmals die Funktion des „Babysitters“ übernehmen, wenn die Eltern auf Nahrungssuche sind. Ein Wolfsrudel in Europa umfasst in der Regel zwischen 5 und 10 Tiere.

 

Dabei ist auch die Reviergröße für eine Wolfsfamilie zu bedenken, die – je nach Nahrungsangebot – zwischen 100 und 350 km² (in Mitteleuropa im Mittel 200-300 km²) umfasst.

 

Wölfe sind sehr scheu und bemerken den Menschen frühzeitig, so dass sie ihm weiträumig aus dem Weg gehen. Dass man einen Wolf zu sehen bekommt, ist äußerst selten der Fall, auch dort wo große Wolfspopulationen leben.

 

Noch unwahrscheinlicher sind Angriffe auf Menschen. So konnte beispielsweise in Spanien seit 1950 kein einziger Angriff von Wölfen auf Menschen registriert werden (LINNELL et al. 2002) [4], obwohl in Spanien mit rund 2.000 Wölfen eine große Population existiert (BLANCO et al. 1990 [5], WWF 2014).

 

In den sehr wenigen Fällen, wo Wölfe Menschen angegriffen haben, konnte in den meisten Fällen Tollwut als Auslöser festgestellt werden (LINNELL et al. 2002). Da es in Österreich seit Jahren keine Tollwut mehr gibt (HIRK et al. 2014) [6], ist diese Gefahr vernachlässigbar gering. Probleme gibt es dann, wenn Wölfe gefüttert werden. Wölfe verlieren dadurch ihre Scheu vor dem Menschen und können diesen, wenn sie sich bedroht fühlen, angreifen.

Behauptung einer notwendigen Bejagung

Immer wieder wird kolportiert, dass man Wölfe bejagen müsse, damit diese ihren Respekt vor dem Menschen behalten. Auch dies widerspricht den Tatsachen. Wie MCNAY (2002) [7] und FRITTS et al. (2003) [8] belegen konnten, gibt es in bejagten und unbejagten Wolfspopulationen Individuen, die ein verändertes Verhalten zeigen.

 

Eine Datenauswertung aller Angriffe durch gesunde Wölfe auf Menschen ergab vielmehr, dass alle Wolfsangriffe in Europa in den letzten 65 Jahren durch Wölfe aus bejagten Populationen erfolgten (Bundesministe­rium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 2015) [9].

Der Schutzstatus des Wolfs

Für Wölfe besteht in Österreich, wie in weiten Teilen Europas, ein umfassender Schutz. Bereits 1979 wurde der Wolf in der Convention on the Conservation of European Wildlife and Natural Habitats (Berner Konvention) als streng geschützte Art deklariert.

 

Ab 1989 wurden die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, spezifische Anstrengungen zur Verbesserung der Erhaltungssituation des Wolfes zu unternehmen (Rec. No. 17/1989).

 

Seit 1992 (für Österreich ab dem EU-Beitritt 1995) gelten die verpflichtenden habitat- und artenschutzrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (kurz „FFH-Richtlinie“). Der Wolf in Mitteleuropa genießt darin den höchsten rechtlichen Schutz:

  • Für den Wolf sind Schutzgebiete auszuweisen und zwar in dem Umfang, dass ein kohärentes europaweites Schutzgebietsnetzwerk (Natura 2000) entsteht.
  • Der Wolf ist streng zu schützen. Dabei sind unter anderem alle absichtlichen Formen des Fangs, der Tötung, der Störung und jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhe­stätten verboten.
  • Der Wolf ist als prioritäres Schutzgut eingestuft. Hierdurch sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, eine zügige Durchführung der Maßnahmen zum Schutz der Art und deren Lebensräume vorzunehmen, da die EU-Mitgliedsstaaten eine besondere Verantwortung für die Erhaltung des Wolfes haben.

Quellen

[1] LINNELL, J., SALVATORI, V. & BOITANI, L. (2008): Guidelines for population level management plans for large carnivores in Europe, ein Large Carnivore Initiative for Europe-Report (IUCN/SSC/LCIE), erstellt im Auftrag der Europäischen Kommission, Juli 2008, 85 S.

 

[2] WWF Österreich (2014): Wölfe in Europa, Karte und Daten, 1 S.

 

[3] HOLZAPFEL, M., WAGNER, C., KLUTH, G., REINHARDT, I. & ANSORGE, H. (2011): Zur Nahrungsökologie der Wölfe (Canis lupus) in Deutschland, in: Beiträge zur Jagd- und Wildforschung, Band 36, S. 117-128.

 

[4] LINNELL, J. D. C., ANDERSEN, R., ANDERSONE, Z., BALCIAUSKAS, L., BLANCO, J. C., BOITANI, L., BRAINERD, S., BREITENMOSER, U., KOJOLA, I., LIBERG, O., LØE, J. OKARMA, H., PEDERSEN, H. C., PROMBERGER, C., SAND. H., SOLBERG, E. J., VALDMANN, H. & WABAKKEN, P. (2002): The fear of wolves: A review of wolf attacks on humans, Studie des Norsk institutt for naturforskning (NINA), Band 731, ISBN 82-426-1292-7, Januar 2002, 67 S.

 

[5] BLANCO, J. C., CUESTA. L. & REIG, S. (1990): El lobo en España: una visión global, S. 69-94, in: BLANCO, J. C., CUESTA. L. & REIG, S. (Hrsg.): El lobo (Canis lupus) en España – Situación, problemática y apuntes sobre su ecología.

 

[6] HIRK, S., ALLERBERGER, F., HUHULESCU, S., INDRA, A., KALLAB, V., LACHNER, P., SCHMID, D. & WEWALKA, G. (2014): Tollwut, herausgegeben vom Bundesministerium für Gesundheit und der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), Juli 2014, 60 S.

 

[7] MCNAY, M. E. (2002): A case history of wolf-human encounters in Alaska and Canada, in: Wildlife Technical Bulletin, Band 13, 44 S.

 

[8] FRITTS, S. H., STEPHENSON, R. O., HAYES, R. D. & BOITANI, L. (2003): Wolves and Humans, in: Wolves: Behavior, Ecology and Conservation, 448 S.

 

[9] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2015): Bericht des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zur Lebensweise, zum Status und zum Management des Wolfes (Canis lupus) in Deutschland, 79 S.

Weiterführende Informationen

  • Umfassende Informationen zum Wolf in Deutschland (2014) [PDF, 23 MB, die im Dokument genannten Zahlen zum Wolfsvorkommen in Deutschland sind nicht mehr aktuell. Mit Stand August 2016 leben nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz in Deutschland mindestens 46 Wolfsrudel und 15 Wolfspaare sowie mehrere Einzeltiere.]

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